| Von Krise keine Spur: Während die Musikindustrie über Verluste klagt, 
            verkaufen sich Millionen von Hörspiel-Kassetten. Die unbestrittenen Stars 
            der Szene sind "Die drei ???". Ein Rückblick auf ein Vierteljahrhundert 
            "Drei ???"-Geschichte.
 So sieht die deutsche Konkurrenz für die amerikanischen Superstars aus:
ein dicker Besserwisser, ein penibler Archivar und ein sportlicher
Angsthase. Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews haben 25 Millionen Musikkassetten und CDs verkauft - so viel wie HipHop-Star 
            Eminem.
 
 Krimi-Legende Alfred Hitchcock hielt als Pate für "Die drei ???" her - 
            geschrieben hat er selbst keines der Bücher - und verhalf so den 
            ursprünglich amerikanischen Krimis auf dem deutschen Markt Fuß zu 
            fassen. Doch erst die Hörspiele machten "Die drei ???" so richtig bekannt.
 
 Seitdem sind die Detektive zusammen die Stars des deutschen Hörspiel -
Marktes. Allein im letzten Jahr verkauften sich die Abenteuer der ewig präpubertären Ermittler rund 2,6 Millionen Mal. "Seit der ersten Folge sind 
            die Jungs höchstens um fünf Jahre gealtert", sagt Oliver Rohrbeck, die 
            Stimme von Justus Jonas, dem "Ersten Detektiv".
 
 Als die erfolgreichste Hörspielserie Europas 1979 startete, waren Rohrbeck 
            und seine Kollegen Andreas Fröhlich (Peter Shaw, "Zweiter Detektiv") [sic!] und 
            
Jens Wawrczeck (Bob Andrews, "Recherchen und Archiv") [sic!] selber noch Teenager.
 
 Die drei Detektive waren für die Schüler anfangs alles andere als Kult. 
            "Erst haben uns die Figuren eher genervt. Während wir in der Pubertät 
            waren, kamen uns die drei viel zu brav und spießig vor", erzählt Rohrbeck.
 
 Dass die drei Detektive eigentlich Spätentwickler waren, die lieber auf dem 
            Schrottplatz von Onkel Titus und Tante Mathilda abhingen als Mädchen zu 
            knutschen, störte die Fans nicht. Im Gegenteil: Bald waren Justus, Bob und 
            
Peter in den Kinderzimmern Deutschlands zu Hause. Ihre Stimmen begleiteten eine ganze Generation beim Einschlafen und auf endlosen 
            Autofahrten.
 
 Wie die drei Detektive wollen auch ihre treuesten Anhänger einfach nicht 
            
erwachsen werden: Es sind vor allem die 20- bis 35-Jährigen, die jeder 
            neuen Folge entgegen fiebern. Und in die Live-Lesungen stürmen. Seit 
            Herbst touren "Die drei ???" mit ihrer "Master of Chess"-Show durch 
            Deutschland. Über 60 000 Menschen haben bereits zugehört, wie die drei 
            Sprecher auf der leeren Bühne ein Gruselschloss entstehen lassen, in dem 
            nicht nur das Schachbrett verhext zu sein scheint. Nach über 60 Auftritten 
            endet die ausverkaufte Tournee am Montag in Salzgitter.
 
 "Der erste Bühnenauftritt war der absolute Schock - für beide Seiten", 
            erzählt Corinna Wodrich, die als Produktmanagerin bei BMG Ariola "Die 
            drei ???" seit langem betreut. Fans und Sprecher waren bis dahin anonym, 
            
hatten sich nie zu Gesicht bekommen. Bewusst hielt der Verlag Fotos urück. Man fürchtete, sie könnten die Bilder im Kopf verdrängen. Mit der 
            
hundertsten Folge wagten die Sprecher 2001 das optische Coming-Out: Bart, Brille und Glatze hatten mittlerweile die Gefahr gebannt, dass 
            Sprecher und Rolle aufeinander prallen.
 
 40-jährige, die 30-jährigen vorlesen - wie lang geht das noch gut? "So 
            lang es Spaß macht", meint Oliver Rohrbeck. Doch auch er sieht das Trio 
            nicht als unsterblich an. "Wenn es peinlich oder blöd wird, muss man den 
            
Absprung finden." Er weiß, dass auch ihr Erfolg Konjunkturen unterliegt. 
            
Mitte der 80er Jahre brachen auf einmal die Verkaufszahlen ein. "Das war der Gameboy-Knick", sagt Corinna Wodrich. Kinder waren von neuen 
            Videospielen begeistert, wollten lieber "daddeln" als zuhören. Dann die 
            Trendwende Mitte der 90er.
 
 Die kindheitsfixierte Generation Golf erlebte ihren ersten Nostalgie-Schub. 
            Sie begann, auf dem elterlichen Dachboden ihre verstaubten Spielzeugkisten zu durchstöbern und fand die alten Kassetten. Weit weg
vom Elternhaus halfen seitdem wieder "Zauberspiegel" und "Aztekenschwert" beim Einschlafen. "Der Erfolg der ,Drei ???' ist eine 
            Reaktion auf den Medienoverkill der letzten Jahre", sagt Corinna Wodrich. 
            
Bei Internet und Videospielen muss ständig gedrückt, gehört und gesehen
werden. "Hörspiele sprechen nur einen Sinn an. Sie raunen dir zu: Augen 
            zu, Ohren auf!"
 
 Kult sind aber nicht nur die leicht verdaulichen Krimigeschichten, sondern auch die blau-weiß-roten Kassettenhüllen. Das bestätigen die 
            Verkaufszahlen: 75 Prozent der Käufer greifen immer noch lieber zur 
            Kassette als zur CD.
 
 Nach 110 Folgen sind die Sprecher mehr als ein eingespieltes Team. "Ich weiß genau, wann Jens atmet", sagt Oliver Rohrbeck über seinen Kollegen 
            Wawrczeck. Routiniert bauen sie während der Aufnahmen improvisierte 
            Gags ein. Da sie keinen Einfluss auf die Handlung haben, geben sie den 
            Geschichten so ihren persönlichen Touch.
 
 Zu viele Experimente wird es aber auch in Zukunft nicht geben. Justus, Bob und Peter bleibt ihre ewige Jugend erhalten. "Wie sollten sie denn mit 
            30 aussehen? Füße auf dem Tisch und Zigarette im Mund?", fragt 
            Rohrbeck. Altersmüdigkeit können sich die Drei sowieso noch nicht 
            erlauben. Bis zum 11. August wird das vertraute Motto "Wir übernehmen 
            jeden Fall" gewiss noch stand halten. Dann verlangt nämlich in der "Höhle 
            des Grauens" Fall Nummer 111 nach Aufklärung.
 
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