+ Der Mann, der Tarzan entdeckte (Süddeutsche Zeitung vom 08./09.02.2003) +

München, 09.02.2003 Diesen Artikel entdeckten wir in der Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 8./9. Februar 2003.
Wer hätte gewußt, wem die Roman- und Hörspielfigur Tarzan tatsächlich ihre Existenz verdankt? Vielleicht die nächste Millionen-Frage bei Günther Jauch..., viel Spaß beim Lesen!

 

Der Mann, der Tarzan entdeckte
Offenbar verdankt die Romanfigur ihre Existenz Berichten, die ein schwedischer Söldner aus Südafrika mitbrachte

Von Gerhard Fischer

  

  

  

Stockholm - Im Osten Südafrikas gibt es den "Drachenberg". Als britische Soldaten im Burenkrieg Ende des 19. Jahrhundert zu diesem Drachenberg kommen, entdecken sie eine Horde Paviane und - mitten unter ihnen - einen Jungen. Affen und Knabe geraten in Panik, als sie die Soldaten sehen, rennen los. Der Junge stolpert. Er stürzt die Felsen hinunter, verletzt sich am Kopf und stirbt.
Diese Geschichte erzählt, als der von 1899 bis 1902 dauernde Burenkrieg vorüber ist, der Soldat Ivor Thord-Gray einem Journalisten in London. Und mit Mund-zu-Mund-Erzählungen ist es wie mit Blättern im Herbst: Sie werden immer bunter, der Wind weht sie umher und irgendwann fallen sie auf fruchtbaren Grund. Die Geschichte, die der schwedische Söldner Thord-Gray aus Südafrika mitgebracht hatte, landete irgendwann beim Schriftsteller Edgar Rice Burroughs. Und der schrieb bekanntlich ein Buch, das er "Tarzan bei den Affen" nannte. Das Werk wurde 1914 veröffentlicht und erstmals 1918 verfilmt. Im ersten Jahr spielte es eine Million Dollar ein - ein unglaublicher Betrag für die damalig [sic!] Zeit. Die Rechte an den Tarzan-Geschichten hält bis heute die Familie Edgar Rice Burroughs`.
Der Schwede Joakim Langer, 45, hat die südafrikanische Schöpfungsgeschichte des Dschungelhelden kürzlich der Zeitung Aftonbladet erzählt. Langer gehört zu jenen Menschen, die tun, was sie wollen - auch wenn das ziemlich kurios erscheint. Joakim Langer will durch die Welt reisen und Roman-Helden finden. Im vergangenen Jahr hat Langer wie berichtet herausgefunden, dass der Vater von Pippi, Kapitän Ephraim Langstrumpf, wirklich existiert hat. Astrid Lindgren hatte einen Schweden namens Carl Petterson, der als König in der Südsee lebte, als Vorlage für ihre Kinderbuchfigur gewählt. Langer reiste zu dieser Südsee-Insel (vulgo: nach Taka-Tuka-Land) und sprach mit Pettersons Enkelkindern. Sein Buch darüber erscheint demnächst in Deutschland.

 

  

Um Tarzans Urheber zu finden, musste Langer gar nicht reisen. Er stöberte in alten Zeitungen, die sein Vater aufgehoben hatte, und fand einen Artikel aus dem Jahre 1924 und einen von 1960. Darin wurde die Geschichte des schwedischen Soldaten Ivor Thord-Gray erzählt, der 1878 als Ivar Hallström in Stockholm geboren wurde. Mit 14 heuerte Hallström als Schiffsjunge an. Drei Jahre später, man lag vor Kapstadt, türmte er, weil ihm Prügel drohten. Der Legende nach hatte er zwei schwedische Kronen in der Tasche und ein großes Messer im Gürtel. Hallström bekam einen Job auf der Gefängnisinsel Robbin Island, dort, wo Nelson Mandela viel später 26 Jahre lang eingesperrt gewesen ist. Dann ging Hallström zur britischen Armee, die in [sic!] damals in Südafrika gegen die Buren kämpfte. 1901 wurde er Leutnant. Er nannte sich nun Ivor Thord-Gray.
Ivor Thord-Gray? Gray? Richtig: Edgar Rice Burroughs, so scheint es, hat den Schweden in seinen Tarzan-Büchern verewigt. Denn Tarzan, der im Roman einer adeligen Familie entstammt, hieß ursprünglich Greystoke. Lord Greystoke. "Das spricht eindeutig dafür, dass Ivor Thord-Gray der Urheber der Tarzan-Geschichte ist", sagt Joakim Langer. Aber sicher ist es nicht. Gerüchte gab es schon früher, auch Vorwürfe an Burroughs, er habe die Idee gestohlen, etwa bei Rudyard Kipling, dem Autor des "Dschungelbuchs". Burroughs selbst sagte, die Wolfssöhne Romulus und Remus hätten ihn zu Tarzan inspiriert. Edgar Rice Burroughs und Ivor Thord-Gray haben sich mehrmals getroffen. Geld hat der Schwede angeblich nie bekommen.
Thord-Gray blieb sein Leben lang Söldner. Er nahm an 13 Kriegen teil und diente elf Armeen. Unter anderem kämpfte er 1913 und 1914 bei der mexikanischen Revolution - als Artilleriechef des legendären Pancho Villa. Außerdem war er in China, Indochina, Indien oder Ceylon. Nur die Sommer verbrachte Thord-Grey, der 1964 starb, in seinem Ferienhaus in Furusund bei Stockholm, übrigens als Nachbar von Astrid Lindgren. 

Dieser Artikel wurde ungekürzt aus der Süddeutschen Zeitung übernommen. Die Urheberrechte liegen bei dem Autor des Artikels, Gerhard Fischer und der Süddeutschen Zeitung.


 

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